Memes – Anarchistic Images
A lecture & workshop on memes I gave at the Academy of Media Art in Cologne. Still hot / super interesting for any artist interested in internet culture…or contemporary culture in general.
The lecture explains the history of memes, analyzes what an image needs to go viral and takes a deeper look at the political dimension of the anarchistic image. (German only, sorry)
Kurze Geschichte der Memetik
—> sehr viele Meme
Die Tür hat innerhalb von 3 Tagen 10.000 Freunde auf Facebook 🙂
Feierliche Wiedereröffnung: https://www.youtube.com/embed/i2IzvTyqdmA
Meme =
– kleine kulturelle Einheiten, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden
– lebendig durch Nachahmung und Remix (bspw. von popkulturellen Inhalten)
+ Intertextualität (Meme beziehen sich oft aufeinander)
– Popkultur und Politik verschmelzen miteinander
– Partizipationskultur führt zu “Bottom Up” -Kommunikation
—> Meme spiegeln und formen die Denkweise einer Gesellschaft
Die kulturelle Evolution
Begriff “Mem” geprägt von Richard Dawkins (Biologe) 1976 in “The Selfish Gene”
“Meme” analog zu “Gene” (Melodien, Sprichworte, Kleidermoden, abstrakte Überzeugungen)
Wie Gene sind auch Meme Replikatoren, die einen Prozess von Variation, Konkurrenz und Selektion durchlaufen.
Manche verbreiten sich erfolgreich, andere sterben aus.
Memgruppen verbreiten sich gemeinsam und stärken sich gegenseitig (= koadaptive Memkomplexe)
—> Kulturelle Evolution 🙂
Memetik (seit den 90er Jahren)
= Theoretische und Empirische Wissenschaft, die Replikation, Verbreitung und Evolution von Memen untersucht.
Analogien zur Biologie:
1. Viren: “Meme werden wie Grippeviren durch Nieser übertragen.” (Epidemologie)
(Ist wahrscheinlich Bullshit, weil der Mensch kein passiver Wirt ist…)
2. Gene: Kulturelle Entsprechung für genetische Begriffe (Evolutionsgenetik)
(Kann man Kultur auf Biologie übertragen? Schränkt das nicht den Geist zu sehr ein?)
Wer ist hier der Boss?
Die Frage nach der menschlichen Handlungsfähigkeit bei der Verbreitung von Memen:
Susan Blackmore (“Die Macht der Meme”): “Menschen sind Apparate, die von Memen betrieben werden.”
Rosaria Contes: “Menschen sind nicht Vektoren für kulturelle Übertragung, sondern Akteure.”
—> Normen, Vorstellungen und Präferezen der Menschen sind im Mem-Selektionsprozess entscheidend.
Meme scheinen banale und triviale Artefakte zu sein, spiegeln aber tiefe gesellschaftliche und kulturelle Strukturen wider.
Digitale Meme
Das Internet ist der perfekte Nährboden für Meme
= mit Photoshop bearbeitete, über soziale Netzwerke verbreitete Folklore-Kultur.
Eigenschaften von starken Memen nach Dawkins_______im Internet
– Langlebigkeit __________________________________> auf unbestimmte Zeit in vielen Archiven gespeichert
– Fruchtbarkeit __________________________________> beliebig viele Kopien verteilt an viele Knotenpunkte
– Wiedergabetreue_______________________________> digital, verlustfreie Übertragung
Membegriff ist am geeignetsten, um Netzkultur bzw. Partizipationskutur zu analysieren.
Verbreitung von Inhalten der User durch User für User = Kern des Web2.0
Über soziale Netzwerke können Inhalte innerhalb von Stunden Millonen erreichen.
Teilen/Sharing ist eine grundlegende Aktivität im Netz:
– Teilen von Dingen oder Dienstleistungen (Shareconomy)
– Teilen von Ideen und Gefühlen (Kommunikation)
+ Immitation/Neuverpackung:
früher mündlich, Inhalt wird verfremdet (Stille Post), heute digital, Inhalt bleibt gleich (Copy/Paste, Links)
Trotzdem erschaffen viele eigene Versionen von Memen durch Nachahmung oder Remix.
Wettbewerb und Selektion sind für alle User nachvollziehbar (offene Popularitätsmessung durch “Likes”)
Durch das Internet verbreiten sich Meme schneller als je zuvor und werden zu einer geteilten Umgangssprache
—> Meme sind Bestandteil des Alltags (“hypermemetisch”)
Bottom-Up Volkskultur als Antwort auf die Top-Down Popkultur 🙂
2. Weltkrieg:
Schiffsinspektor Kilroy kontrolliert die Arbeit der Nieter und markiert die Stellen am Schiff, an denen er schon war.
> Soldaten machen sich darüber lustig und markieren die unmöglichsten Orte mit “Kilroy was here”
> erst auf dem Schiff, dann die Marine, dann alle Truppen überall in den Einsatzgebieten der US Armee
> als der Krieg vorbei war, wurde das Kilroy-Meme in der Graffiti-Szene weiterverbreitet
– “wahre Bedeutung” unbekannt, mysteriös, also individuell auslegbar
– Leute, die es vervielfältigen, wollen eine Gruppe angehören, die sich gemeinsam lustig macht (Insider-Witz)
—> Vernetzter Individualismus:
Menschen drücken durch Meme ihre Einzigartigkeit und gleichzeitig die Verbundenheit mit der Gruppe aus.
(Bsp. RL/ortsbezogene Meme im Internet: “Planking”, “Heads in Freezers”)
Warum ahmen Leute Bilder nach? Die Logik der Partizipation:
1. Ökonomische Gründe:
– Aufmerksamkeitsökonomie (kognitiver Kapitalismus)
Nicht die Information selbst, sondern die Aufmerksamkeit ist die wichtigste Ressource
– Nachahmung erhöht die Bekanntheit des Originals, wird auch in Kampagnen eingesetzt
2. Soziale Gründe:
– Selbstdarstellung und Sehnsucht nach Gemeinschaft (vernetzter Individualismus)
– User demonstrieren Kreativität und digitale Kompetenz und beziehen sich dabei auf gemeinsame Inhalte
(können so “gemeinsam sie selbst sein”)
3. Kulturelle Gründe:
– Tradition des Coverns und Remixens (z.B. in der Musik)
– Kultur war schon immer evolutionär, Neues wächst aus Altem, Internet macht das nur sichtbar und beschleunigt es
Definition: Memes & Virals
Defintion von Internetmemen
Mentalistische Memetik:
Meme = Ideen, Informationen (Komplexe, z.B. Alphabet)
Memvehikel = Informationsträger (z.B. Bilder, Artefakte) die Meme transportieren
Behaviouristische Memetik:
Meme = Artefakte und Verhaltensweisen, Praktiken
Idee ist nicht von Ausdrucksform zu trennen
Inklusive Memetik:
Meme = jede Art von Information, die durch Imitation kopiert werden kann
Kein Unterschied zwischen Idee und Praktik
Es gibt keine einzelnen Meme, sondern nur Memgruppen mit gemeinsamen Merkmalen.
3 imitierbare Dimensionen:
1. Inhalt: Ideologie (Text)
2. Form: Physische Verkörperung (Bild, Performance, etc.)
3. Haltung: wie der Sender sich selbst in Bezug auf die Botschaft positioniert, Keying
Kommunikative Funktionen:
– referentiell (narrativ/erklärend, an die Aussenwelt gerichtet)
– emotiv (drückt Gefühle des Senders aus)
– konativ (Handlungsaufforderung, an Empfänger gerichtet, z.B. Befehle)
– phatisch (zur Herstellung, Verlängerung und Unterbrechung von Kommunikation)
– metasprachlich (zur Übereinstimmung über den Code, z.B. Definition)
– poetisch (bezogen auf die Schönheit der Botschaft und ihrer Konstruktion)
Meme sind also:
*Gruppen digitaler Einheiten mit gemeinsamkeiten in Inhalt, Form und Haltung.
*in bewusster Auseinandersetzung mit anderen Memen erzeugt
*von vielen Usern im Netz verbreitet, imitiert und transformiert
Beispiel memetisches Video: Leave Britney Alone!!
Comeback von Britey Spears – sehr schlechte Show, Medien und Netzgemeinde macht sich lustig
—> Britney-Fan heult und schreit hysterisch vor der Kamera:
2 Mio. Hits in 24 Stunden, gelangt in die Mainstreammedien, weltweite Aufmerksamkeit
—> Schwemme an Nachahmungen! https://www.youtube.com/embed/kHmvkRoEowc
Analyse (3 Dimensionen):
1. Inhalt: Britney Spears’ Leben und “es ist ok, homo und effemiert zu sein”
2. Form: Sprecher vor weißem Tuch, Nahaufnahme, Wiederholung
3. Haltung: verzweifeltes Keying, erhöhte Tonlage, ernst
Kommunikation: referentiell, konativ, emotiv
—> Nachahmungen:
Welche dieser Dimensionen war im kompetitiven Selektionsprozess erfolgreich?
Stichprobe: 20 meistgesehene Nachahmungsvids auf Youtube
– fast überall: weißes Laken, Nahaufnahme, kein Schnitt (Form)
– 16 von 20: Männer mit Perücke und Lidstrich (Form)
– fast überall: “Lasst XY in Ruhe!! Er/Sie ist ein Mensch!!!” (Inhalt)
Veränderungen:
– lustig machen über offen zur Schau gestellte Effemierung (Form)
– lustig machen über andere Berühmtheiten (“Leave Justin Bieber Alone!!!”) (Inhalt)
– alle Videos sind Parodien (kritische gegenüber Original) (Haltung)
– ironisch überzogen (Keying)
Nachahmer-Videos sind einander ähnlicher als dem Original und Imitatoren imitieren andere Imitatoren o.O
—> komplexes memetisches Netz = diskursive Arena
(Möglicherweise ist das machtvollste Mem die ironische Kommunikation selbst – Kommunikation, die dem Inhalt nicht verpflichtet ist, sondern Sprache auf spielerische Weise einsetzt.)
Beispiel memetisches Foto: Pepper Spraying Cop
Occupy 2011 – Sitzstreik auf dem Campus der University of California
Nach Aufforderung räumen die Studierenden nicht den Platz > Polizist sprüht ihnen Pfefferspray ins Gesicht
—> John Pike wird berühmt als der “Pepper Spraying Cop“
—> zahlreiche Nachahmungen: Bild wird Photoshop in neue Kontexte gesetzt
Analyse (3 Dimensionen):
Form: ähnlich, Fotos (basiert auf Photoshop)
Inhalt: sehr unterschiedlich, 2 Gruppen:
1. Politik-Bezug (Washington-Gemälde, Verfassung,…)
> brutaler Cop hat gegen Grundwerte von Freiheit und Gerechtigkeit verstossen
2. Popkultur (malträtiert Ikonen und niedliche Disney-Figuren)
> grosser Interpretationsspielraum, bis hin zur Umkehrung (z.B. besprüht verhassten Teenie-Star)
Haltung/Keying: Im Original sehr ernst, in Remixen sarkastisch bis belustigend, humorvoll
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Meme können in ihren Variationen sehr weit abgewandelt werden.
Folgt Veränderung gewissen kulturellen Bahnen im Internet?
(Tendieren die Variationen des gleichen Mems bspw. auf 9Gag in politischen Twitter-Umfeld?)
Meme vs. Virals
Merkmale von Virals (Hemsley&Mason):
– Verbreitung von Mensch zu Mensch
– hohe Geschwindigkeit, Beschleunigung durch Social Media
– grosse Reichweite durch Überbrücken mehrerer Netzwerke
Diese Merkmale haben auch Memes, aber:
Virals sind nicht variabel!
Virals sind einzelne Einheiten in vielen Kopien.
Ein Video kann viral sein, ohne einem Memkomplex anzugehören. Ein einzelnes, oft geteiltes Video oder Bild ist kein Mem, kann aber memetisch werden, sobald Variationen davon entstehen.
“Leave Britney Alone” Original Video = Viral —> wurde durch Nachahmungen zum Memekomplex
Meme sind lebendige, sich wandelnde Einheiten (Dawkins).
Viral: einzelnes Video/Bild/Text, sehr oft geteilt, kann memetisch werden
Gründerbasiertes Mem: memetischer Komplex mit Gründungseinheit
Egalitäres Mem: viele Einheiten, scheinbar gleichzeitig entstanden
Virals und Memes haben unterschiedliche Grade von Kommunikationsaktivität
(z.B. werden Virals oft mit hinzugefügtem, persönlichem Kommentar geteilt)
Kommunikation als Übertragung: wie Bewegung von Waren im Raum
> effektiv ist Kommunikation, wenn Inhalte schnell, weit und störungsfrei transportiert werden.
= Forschungsansatz für virale Verbreitung von Inhalten (für Marketing)
Kommunikation als Ritual: Konstruktion und Repräsentation geteilter Überzeugungen
> konstruiert Identität und Zugehörigkeitsgefühle
= Forschungsansatz für Meme und Gruppenidentitäten/Gruppendynamiken
Viraler und memetischer Erfolg
Welche Eigenschaften verstärken viralen Erfolg?
Studie von Jonah Berger und Katherine Milkman: 7000 NewYorkTimes-Artikel wurden auf viralen Erfolg untersucht
1. Positivität (Humor)
Positive Geschichten werden häufiger geteilt als negative. (oft geteilt werden auch überraschende und praktische Informationen)
User teilen Inhalte zur Selbstdarstellung und aus sozialen Gründen
–> Sie möchten ein positives Bild von sich vermitteln und unterhaltsam sein.
Witze sind mit Abstand die größte Kategorie der am häufigsten geteilten Inhalte!
(+ Witze wirken oft überraschend —> emotionale Erregung)
2. Provokation “hocherregender” Emotionen
Menschen müssen berührt sein, also emotional erregt werden, um einen Inhalt zu teilen.
(Sowohl positiv, als auch negativ stark erregendes wird oft viral.)
“Wow”-Geschichten wie Naturwunder oder bahnbrechende wissensch. Erkenntnisse
Positiv + hocherregend: wird am häufigsten geteilt.
Negativ + hocherregend: nur mit aktivierenden Gefühlen (Bsp. Kony 2012)
–> Wut oder Angst –> man will etwas ändern, aktiv werden
Traurige Inhalte werden eher selten geteilt. (Traurigkeit wirkt nicht aktivierend.)
3. Packaging – Verpacken von Botschaften
Klar und einfach ist besser als komplex!
Menschen begreifen Inhalt schnell (und sehen evtl. eine einfache Lösung, falls es um ein Problem geht)
(–> Teilen aufgrund von scheinbarer Handlungsfähigkeit…)
4. Prestige (VIP-Quelle)
Nachrichten berühmter Menschen werden häufiger geteilt aufgrund der anerkannten Quelle.
(Bsp. Fake-Einstein-Zitate als Hack 🙂
5. Positionierung (Aussääen/Seeding im viralen Marketing)
Herantreten an die richtigen User
“Knoten” = User mit vielen Kontakten
“Brücken” = User, die verschiedene Millieus verbinden
zur richtigen Zeit
Uhrzeit, Wochentag, Sommerloch, zw. Weihnachten und Neujahr
nicht wenn gerade irgendeine Satire-Magazin-Redaktion zusammengeschossen wurde
6. Partizipation
Menschen zu mehr Aktivität ermuntern, als nur den Inhalt zu teilen (Petition, Flashmob,etc.)
verstärkt Zugehörigkeitsgefühl und Bindung an das Thema/die Kampagne
Eigenschaften erfolgreicher Meme (Video)
“Haben Youtube Videos, die eine große Anzahl an Nachahmungen erzeugen, bestimmte Merkmale gemeinsam?”
Untersuchung von 100 Videos, gefiltert anhand von Youtube Popularitätsmessungen:
100 meistgesehene (+ meistbeantwortete, meistkommentierte, meistfavorisierte) Videos
—> 30 Gründereinheiten memetischer Videos
1. Gewöhnliche Menschen bzw. nutzergeneriert
In 17 von 30 waren gewöhnliche Menschen die Protagonisten, in nur 8 waren es Prominente
Nutzergenerierte Videos erzeugen häufiger Nachahmungen als professionell erstellter Content
(Profi-Vids sind zwar oft viral, aber nicht memetisch)
Außerdem sind nutzergenerierte Clips auch verbreiteter in “meistbeantwortet” und “meistkommentiert”.
– nutzergenerierter Inhalt ist leichter zu imitieren, da nicht sehr komplex
– gewöhnliche Menschen sind uns näher als Stars, also “gleichrangig” (Kommunikation als Ritual, Identität)
2. Brüchige Männlichkeit
24 von 30 Videos zeigten Männer als Protagonisten, nur 3 Frauen
Die Frauen entsprechen dem Schönheitsideal/der Norm, doch die Männer sind
übergewichtig, schwitzend, nerdig, kleinwüchsig, effeminiert,…
—> brüchige Männlichkeit = komisch (Losers, “Krise der Männlichkeit”?)
Haltung der Nachahmer –> Diskurs zwischen verarschend und bestärkend
3. Humor
25 von 30 sind humorvoll (skurril und Situationskomik, keine Politsatire)
10 der Protagonisten sind gezielt komisch, 15 unfreiwillig komisch (“Fail”)
– Verspieltheit –> beabsichtigt humorvoll, regt User zur Kreativität an (einen Witz zurück zu reißen)
– Inkongruenz –> lustig ist, was nicht zusammenpasst, oft Inkongruenz zwischen Ton und Bild
(audiovisuelle) Inkongruenz erzeugt “Rätsel”, das User aktiviert
– Überlegenheit –> “Lachen, weil man anderen etwas voraus hat.” (Platon)
User imitieren Fails auf verächtliche Weise und demonstrieren Überlegenheit
4. Einfachheit
einfach konstruiert = einfach nachzuahmen!
(kein Schnitt, keine Kulisse, etc.)
5. Wiederholung
Oft ein eingängiger Slogan, der mehrfach wiederholt wird (einfach, bleibt hängen wie Ohrwurm)
—> Das Mem selbst ist Wiederholung und demonstriert so seine eigene Wiederholbarkeit!
—> fordert so “unbewusst” zur Wiederholung auf 🙂
6. Skurrile Inhalte
Statt Politik, Religion oder Sex ist nur die Popkultur ein häufiger gemeinsamer Inhalt.
(unterschiedliche Meinungen zu brisanten Themen verprellen die User)
Skurril: Menschen führen etwas auf und sind dabei albernoder machen sich lächerlich
—> Interpretationsspielraum für Nachahmer ist weit offen
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Die erfolgreichsten memetischen Videos kombinieren midestens 3-4 dieser 6 Attribute, verbinden selten alle.
Alle sind fehlerhaft und amateurhaft, ein Gegenentwurf zu Hochglanzformaten
und damit deutlich verschieden zu Virals, die zwar sehr berühmt, aber keine Meme wurden (zu aufwendig).
“Schlechte Videos” —> “Gute Meme”
Unfertiges, unperfektes – “Lücken fördern Nachahmung” (John Fiske)
Eigenschaften erfolgreicher Meme (Foto, nicht politisch)
Suchbegriff “Photoshop” in KnowYourMeme-Search eingegeben:
Nebeneinanderstellung von Bildern und eingefrorene Bewegung
1. Nebeneinanderstellung
– Inkongruenz zwischen mindestens 2 Elementen im Bild
– meistens erscheint eine Person im Bild-Umfeld als “fremd”
(Frowning Flower Girl, Disaster Girl)
—> Die Person ist schon deplatziert
—> bietet sich an, sie auch in andere Kontexte zu setzen
> entweder die Inkongruenz wird vertieft (und damit die Lächerlichkeit)
> oder die Inkongruenz wird verringert, indem die Person in einen passenderen Kontext gesetzt wird
(mürrisches Mädchen in nervigen Situationen, die uns allen bekannt sind)
2. Eingefrorene Bewegung
– meist viel Action in Bewegung (Rennen, Tanzen, Springen,…)
– Menschen in grotesker Körperhaltung/Mimik
—> starker emotionaler Ausdruck, lustig
– Fotos dokumentieren einen “unvollendeten” Moment
—> fordert auf, mitzumachen (um den Moment zu vervollständigen)
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MemGenres und Beispiele
Unterschiedliche Genres setzten unterschiedliche Grade an digitaler Kompetenz und Wissen über Mem-Subkultur voraus. Hier einige bekannte Genres:
1. Photoshop-Reaktionen
Mit Photoshop bearbeitete Bilder, Antworten auf memetische Fotos.
Beispiel: Tourist Guy
2. Fototrends
Gestellte Fotos von Menschen, die bestimmte Körperhaltungen oder Handlungen an unterschiedlichen Schauplätzen imitieren.
Beispiele: Planking, Heads in Freezers, Put Shoe on Head, Owling, IceBucketChallenge (Video)
3. Flashmob
Eine Gruppe von Menschen versammelt sich in der Öffentlichkeit, führt etwas auf und geht wieder auseinander.
War ursprünglich konsumkritisch, wurde aber schon früh kommerzialissiert. (Ursprung 2003 Macy’s “Liebesteppich”)
Beispiele: Tanzen, Erstarren, Zombieläufe https://www.youtube.com/embed/z1m7mrKIxAw
4. Lipsync
Lippen zu Popsongs bewegen, war ursprünglich beschämender Teil der Musikindustrie.
Aneignung popkultureller Hits der Stars, vorgetragen von gewöhnlichen Menschen (Brücke zw. Amateurvideos und Musikvideos)
A) Schlafzimmer-Lipsyncs:
– zuhause vor der Webcam, wenige Personen, sehr einfach zu produzieren
– vernetzter Individualismus, jeder ist ein Popstar
Beispiel “Back Dorm Boys”
B) Gruppenlipsyncs:
– in der Öffentlichkeit, viele Personen, aufwendig organisiert
– oft von Firmen, Unis, Vereinen,… –> zeigen, dass wir eine coole Gruppe sind
5. Neu zusammengeschnittene Trailer
Remix von Filmtrailern
– Umdeutung von Inhalten (z.B. “The Shining” als Familienkomödie)
– Prosumer machen sich lustig über platte Marketing-Strategien in Filmtrailern (starke Emotionen triggern)
– User erhebt sich durch kreative Aneignung über das Diktat der Filmindustrie
Beispiel: Mrs. Doubtfire https://www.youtube.com/embed/1Ckv_Dz-Sio
6. LOL Cats
Katzenbilder mit absichtlich falsch geschriebenen Slogans/Statements
– Bilder mit darüber gelegtem Text, icanhas.cheezburger.com
– Nutzung von LOLCats setzt Kenntnisse des Genres und der Sprache (LOL-Speak) voraus.
—> gesellsch. Abgrenzung, Insiderwitz
– dient häufig der Kommunikation (wie Smileys)
3 Gruppen LOLCat-Liebhaber:
Cheezfrenz = mögen LolCats weil sie Katzen mögen
MemeGeeks = würdigen das Genre in der Geschichte der Internetmeme
gelegentliche Betrachter = Menschen, die sich auf der Arbeit langweilen oder prokrastinieren
7. Stock Character Macros (Stereotypen)
Ursprung: “Advice Dog“, der Ratgeber-Hund auf 4Chan, 2006
—> Mehr Tiere: Socially Awkward Penguin, Courage Wolf, Bachelor Frog,…(= “Advice Animals”)
—> gewöhnliche Menschen als Ikonen für stereotypes Verhalten
Scumbag Steve, Good Guy Greg, Overly Attched Girlfriend, Naive College Freshman, Success Kid,…
= Spektrum verschiedener Typen mit übertriebenen Verhaltensweisen
– thematisieren Erfolg/Versagen im gesellschaftlichen Leben
– Abbild der westlichen Gesellschaft des 21. Jhdts
– kann man mit Meme-Generators bauen
8. Rage Comics
Amateurhafte Zeichungen von ausdrucksstarken Gesichtern
Ursprung: “Rage Guy” auf 4Chan 2008
—> mehr Figuren mit anderen Ausdrücken (Forever Alone, Me Gusta, Trollface,…)
– Kenntnisse des Genres werden benötigt
– kann man mit Rage Maker basteln
– Gewinner/Verlierer im sozialen Leben: “Win”, “Fail”, “What the Fuck”
WIN = erfolgreiche soziale Interaktionen und Triumphe
FAIL = Geeks versagen auf romantischer Ebene und teilen dies im Netz
WTF = “die Anderen” versagen, man steht über ihnen
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= 3 Genre-Gruppen
– Dokumentation realer Momente, Ursprung in RL (Flashmob, Fototrend)
– Remix-Meme, Ursprung in Popkultur (Lipsync, Trailer)
– neue digitale Meme, Ursprung in Foren/Imageboards (LOLCats, Rage Comics)
Meme als politische Partizipation
Politische Partizipation
– traditionell = wählen, in Partei eintreten
(bei jüngeren Bürgern war es früher am wenigsten wahrscheinlich, dass sie sich daran beteiligen würden)
–> heute = bloggen, kommentieren, diskutieren,…
Die Idee von Massenprotesten (Arab Spring, Occupy) war memetisch!
2011 war die “Person des Jahres” im Times-Magazin “der Demonstrant” (Bottom Up)
Jedes größere (politische) Ereignis in den letzten Jahren hat eine Flut von Memen ausgelöst 🙂
Virals zur Überzeugung/politischen Fürsprache
US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 = 1. Web2.0-Wahlkampf
Audiovisuelle Clips: “Obama Girl”, “Yes We Can”, “Wassup” = Virals
Virals sind äußerst einflussreich —> persönliche Empfehlung sehr wichtig für die Entscheidung der Wähler
(Gruppenzwang)
Studie von Travis Ridout (Politikwissenschaftler): untersucht meistgesehene Youtube Videos im Obama-Wahlkampf
– offizielle Videos von Wahlkampfteams = ca. 60.000Views
– Videos von Bürgern = ca. 800.000 Views
– Videos von Blogger-Gruppen, kleinen Medienfirmen = ca. 2,5Mio Views
(professionell ausgestattete Medienproduktionen, aber unabhängig)
Wahlkampfteams unterstützten allerdings die Verbreitung!
Besonders wichtig sind die “führenden” politischen Blogs (Bsp. Fefe, Netzpolitik.org)
– diese Blogger “krönen” Inhalte zum Viral
(politische Blogs bilden ein Netzwerk, das Inhalte teilt)
—> hierarchische Verbreitung, um in hierarchischem System etwas bestimmtes zu erreichen
= Top-Down-Überzeugung
bleibt viral, wird nicht memetisch
Meme als Graswurzelaktion/Diskurs
Ryan Milner: Occupy Wallstreet und memetische Bilder – mediale Ermächtigung der Bürger
Kollektives Handeln
– erfordert viel Organisation (z.B. Greenpeace)
– Kerngruppe dirigiert Aktionen
– sammelt Spenden/Vereinsgelder
(ähnlich Parteiwerbung)
Konnektives Handeln
– personalisiertes Teilen über Mediennetzwerke
– digitale Plattformen übernehmen organisatorische Aufgaben und geben Struktur
– Crowdsourcing von Inhalten, keine Spendengelder notwendig
– niemand sagt, wo’s lang geht, alle entscheiden unabhängig
(egalitär, nicht autoritär)
Beispiel: “Put People First” – Textbox – Your Message to the G20 (Climate Change)
– gemeinsames Gerüst, das nach Variationen verlangt
– Meme verbinden Persönliches und Politisches
—> erlaubt gemeinsame Aktion/Anschluss an eine Gruppe, ohne Individualität aufgeben zu müssen
—> vernetzter Individualismus 🙂
Occupy
Ursprung unklar (Adbusters, Anonymous?)
Adbusters: Culture Jamming /Cultural Hacking, Manifest der Antiwerbung
“Große Firmen produzieren Meme —> Wir brauchen Gegenmeme!”
Aneignen von Werbung —> Subversion/Umdeuten —> wieder in den Strom einschleusen (tag: Tommy Hilfiger)
Ballerina auf Wallstreet-Bulle: Auf dem Wahrzeichen des Kapitalismus wird getanzt!
“I am the 99%” – Mem
– Aussage: 1% der Bevölkerung besitzt fast alles, 99% werden ausgebeutet, Fehler im System
– Person hält Schild hoch, das ihre persönliche Geschichte beschreibt, endet mit dem Spruch “I am the 99%”
—> vernetzter Individualismus
– gewöhnliche Menschen halten ähnliche Zettel in den Händen (hohes Identifikationspotenzial, Nachahmung einfach)
+ 53% Meme: nur 53% zahlen Einkommensteuer, “hartarbeitende” konservative Bürger…
===> vielstimmige Mem-basierte Diskussion!
Es gibt auch viele humorvolle Meme zum Thema Occuy, die sich an der Popkultur orientieren (Beispiel Star Wars)
—> durch subversive Nutzung altbekannter Inhalte (Popkultur) und Humor erreichen die politischen Botschaften mehr Menschen
—> kann zu Depolitisierung führen, indem der memetische Prozes die ernsten Anteile zugunsten der humorvollen abschwächt…
Wie funktionieren politische Meme? (Fotos)
Beispiel “Pepper Spraying Cop”: 1 Foto —> memetischer Diskurs
Erfolgsanalyse: Politische Auftritte in den Medien – Wechselspiel von Vorderbühne und Hinterbühne
Vorderbühne = Hauptschauplatz, Selbstdarstellung vor Publikum
Hinterbühne = privater Bereich, Intimität, Authentizität
– hier wird Selbstdarstellung eingebüßt
– aufgrund von Mobiltelefonen und Internet ist Hinterbühne weniger verborgen (Leaks)
—> Skandale —> Politiker müssen sich entschuldigen (Bsp. Lewinsky-Clinton)
Offizielle politische Fotos: strategische Inszenierung der Hinterbühne, die auf Vorderbühne präsentiert wird
—> Meme entlarven diese Fotos als nicht authentisch
Beispiel Nethanyahu-Shalit-Foto:
– aus Hamas-Gefangenschaft freigekaufter Soldat wiedervereint mit Familie, Netanyahu steht grinsend daneben
– Leute empfinden diese Inszenierung als Ausschlachten eines intimen Moments des Soldaten
—> Bibi Bombing Meme (nicht zu verwechseln mit Bibi and the Bomb)
Auch Politiker versuchen zu fälschen und ernten kollektiven Spott.
(Sarkozy was there, 3 schwebende chinesische Beamte)
Politische Meme = gutes Übungsgelände zur Beobachtung und Bewusstwerdung politischer Manipulation
—> Niemand wird gerne verarscht!
—> User demonstrieren das Wissen um die Manipulation und die Kompetenz, selbst Medien zu machen
===> völlig neue Ebene der politischen Partizipation 😀
Meme als demokratische Subversion
China – Internet wichtige Arena des öffentlichen Diskurses
—> Zensur durch Blockieren von Suchbegriffen
“Für eine harmonische Gesellschaft” Präsident Hu Jintao
—> Codesprache entwickelt sich —> geschlossene Blogs wurden “harmonisiert” —> “Harmonie” auf Index
—> Schriftzeichen verschoben = “Flusskrebs” —> Flusskrebs-Mem 🙂
Porno-Zensur (+ Zensur politischer Inhalte unter diesem Deckmäntelchen)
—> Grass Schlamm Pferd (klingt wie “Fick deine Mutter!”)
“Grass-Schlamm-Pferde besiegen böse Flußkrebse, die ihr Weideland bedrohen.”
Kinderlied, aber klingt sexuell. https://www.youtube.com/embed/wKx1aenJK08
Vorreiter: Ai Weiwei
—> sehr viele memetische Reaktionen, Aufmerksamkeit auch in anderen Ländern!
Subversive Symbole als verschlüsselte Sprache = Ausdruck des Widerstands
Flusskrebs und Grass Schlamm Pferd werden kommerzialisiert und als Kuscheltiere verkauft.
“Internetnutzer werben kostenlos für die Produkte.”
Mit der Einverleibung durch den Markt wird Subkultur/Kritik zum Mainstream. (John Fiske)
Ist die Gier vielleicht der wunde Punkt des Kapitalismus?
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Fazit Politische Meme:
Früher: politische Witze im kleinen Kreis, mündlich
Heute: Internet als “Treffpunkt” verfeindeter Lager, stark visuell
– (humorvolle) Vermischung von Politik & Popkultur erreicht Massen
– interpretierbar, Bedeutungsvielfalt
—> Bottom-Up-Politik
Nutzergenerierte Globalisierung
Wenn Meme global werden
Internet —> länderübergreifende Memverbreitung
Globalisierung = Entwicklungsprozess komplexer Verbindungen weltweit (Kulturen, Gesellschaften, Institutionen und Individuen)
Das Internet spielt eine maßgebliche Rolle in diesem Prozess.
Globalisierungskritiker: “Globale Ströme fließen vom Westen in den Rest der Welt.”
= Globalisierung als westlicher Imperialismus (kulturelle Homogenisierung, Amerikanisierung)
Roland Robertson: “Glokalisierung” —> durch lokale Anpassungen entstehen hybride Kulturen (lokal+global)
Netzkultur:
– Amerikanisierung wg. englischer Sprache
– Vorraussetzung ist Zugang zu (Produktions-)Technik
—> Sind die ärmeren Nationen nur Consumer?
Aber:
– Internet wird stark lokal benutzt (z.B. Nettwerk)
– Dominanz der englischen Sprache nimmt ab
—> Wie kann das Internet globale Ströme in mehrsprachigem Umfeld erleichtern? Welche Rolle spielt das Übersetzen?
Welche Rolle spielt das Visuelle (Bilder und Symbole)? Welche Rolle spielen die User?
Nutzergenerierte Globalisierung: Text (Witze)
Untersuchung des Witzes “Freundin 7.0 – Upgrade zu Ehefrau 1.0”
Witz wurde übersetzt in 8 Sprachen:
Spanisch, Italienisch, Französisch, Deutsch, Chinesisch, Koreanisch, Japanisch, selten Arabisch (keine vorehelichen Beziehungen)
+ viele lokale Anpassungen: “Baseball -> Fußball”
Neue Studie: 100 Witze überprüft –> viele nur auf westliche Sprachen übersetzt
globale Witzethemen = Geschlechterrollen und Konsum => Amerikaniniserung
lokale Witze (z.B. über Rednecks) sind übersetzungsresistent
Japan und Korea nehmen nicht an Verwestlchung durch Witze teil.
Nutzergenerierte Globalisierung: Bilder
Viduelle Inhalte überwinden Grenzen leichter
“Successful Black Man” (Schwarzer entpuppt sich als Familienvater, zeigt rassistische Vorurteile auf)
—> “Akiva, der humanistische Ultraothodoxe”
Beispiel: “Frau in die Küche! Du musst die Kartoffeln probieren, die ich für dich gekocht habe.”
Nur in diesem Fall sind die meisten ultraorthodoxen Juden keine Humanisten. Das Mem ist eine Kritik an den Haredim.
Nutzergenerierte Globalisierung (Video)
Gangnam Style https://www.youtube.com/embed/9bZkp7q19f0
Gangnam = Reichenviertel in Seoul
—> Nachahmungen oft nach anderen Orten benannt
Style = sehr reichhaltige Auslegenung möglich
– “Stil” kennzeichnet sichtbare Manifestation gesellschaftlicher Bedeutungen
– zentraler Aspekt bei persönlicher und kollektiver Identitätsbildung
4 Identitätskreise:
1. national, regional oder subkulturell
> Darstellung nach außen oder “Insiderwitz”
2. gesellschaftskritisch, politisch, aktivistisch
> “Mitt Romney Style”, “Gras Schlamm Pferd Style” (Reitertanz von Ai Weiwei in Handschellen)
3. privater Kreis
> Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, etc.
Darstellung der Familie oder auch Einzelpersonen
(Pop-Kultur stiftet Verbundenheit)
—> vernetzter Individualismus
lokal = individuell, global = vernetzt
“Wir sind alle eins, aber [DAS] ist an uns besonders”
Bilder als Weltsprache?
dfdsfaadf!!!